Ertsmal zu den Menigokokken allgemein:
Invasive Meningokokken-Erkrankungen werden
durch Neisseria meningitidis (Meningokokken) verursacht. Eine invasive Infektion durch
Meningokokken- liegt vor, wenn aus Blut, Liquor, hämorrhagischen Hautinfiltraten oder
anderen normalerweise sterilen klinischen Materialien direkt oder indirekt Meningokokken
nachgewiesen werden oder das spezifische klinische Bild (Purpura fulminans, inkl.
Waterhouse-Friderichsen-Syndrom) erfüllt ist. Meningokokken sind gramnegative
Diplokokken, die sich im Nasen-Rachen-Raum des Menschen ansiedeln und dort bei etwa
10% der Bevölkerung ohne klinische Symptome nachweisbar sind. Bei den meisten Isolaten,
die bei Trägern untersucht wurden, handelt es sich um apathogene, nichtinvasive
Meningokokken. Mit molekularen Typisierungsmethoden lassen sich diese Isolate von
hypervirulenten Stämmen abgrenzen, die in der Bevölkerung selten vorkommen, aber für
fast alle Erkrankungsfälle verantwortlich sind.
Aufgrund der Zusammensetzung der Kapselpolysaccharide werden insgesamt 12
Serogruppen unterschieden (A, B, C, E, H, I, K, L, W, X, Y, Z). Invasive Meningokokken-
Erkrankungen werden in den allermeisten Fällen durch Erreger der Serogruppen A, B, C, W,
X und Y verursacht, in Deutschland derzeit fast ausschließlich durch B,C,W und Y. Neben
der Bestimmung der Serogruppe kann durch die molekulare Feintypisierung die Diversität
der zirkulierenden Meningokokken genauer abgebildet werden. Die molekulare
Typisierungsformel lautet Serogruppe: PorA-Sequenztyp: FetA-Sequenztyp: klonaler
Komplex (cc) (z.B. B: P1.7–2,4:F1–5:cc41/44). Die Feintypisierung wird vom Nationalen
Referenzzentrum (NRZ) für Meningokokken und Haemophilus influenzae seit 2019 auf Basis
der Ganzgenomsequenzierung (whole genome sequencing; WGS) durchgeführt. WGS
erlaubt einen über die Typisierungsformel hinausgehenden feinen Stammvergleich.
InfektionInvasive Meningokokken-Erkrankungen verlaufen vor allem als Meningitis und/oder
Sepsis. Septische Verläufe werden bei über zwei Drittel der in Deutschland gemeldeten
Erkrankungen berichtet. Diese gehen in 10 bis 15% der Fälle mit einer besonders schweren
Form des septischen Schocks, als Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, einher,
gekennzeichnet durch Einblutungen in die Nebennieren und eine sehr hohe Letalität (s.u.).
Mischformen können ebenfalls auftreten. Seltener treten im Rahmen von invasiven
Erkrankungen auch Pneumonien, Myokarditis, Endokarditis, Perikarditis, Arthritis oder
Osteomyelitis auf. Invasive Infektionen können in seltenen Fällen auch im Kontext von
Meningokokken-Konjunktivitis, -Urethritis oder -Zervizitis auftreten.
Bei invasiven Meningokokken-Infektionen kommt es häufig nach einem kurzen
Prodromalstadium mit Symptomen eines Infekts der oberen Atemwege zu plötzlich
auftretenden allgemeinen Krankheitszeichen wie Kopfschmerzen, Fieber, Schüttelfrost und
Schwindel mit schwerstem Krankheitsgefühl. Innerhalb weniger Stunden kann sich ein
schweres, lebensbedrohliches Krankheitsbild entwickeln. Petechiale Exantheme oder
großflächigere Hauteinblutungen sind charakteristisch und vor allem bei septischen
Verläufen ausgeprägt. Zusätzlich kann ein makulopapulöses Exanthem auftreten. Bei einer
Meningitis kommen Erbrechen und Nackensteifigkeit hinzu, Kernig- und Brudzinski-Zeichen
sind positiv. Weiterhin können neurologische Symptome wie Reizbarkeit, Schläfrigkeit,
Stupor bis zum Koma sowie Krampfanfälle oder Hirnnervenlähmungen auftreten. Bei
septischen Verläufen kommt es zum Blutdruckabfall, zur disseminierten intravasalen
Koagulopathie und zum Organversagen.
Bei Säuglingen und Kleinkindern sind die Symptome oft weniger charakteristisch. Es können
Fieber, Erbrechen, Reizbarkeit oder auch Schläfrigkeit, Krämpfe, Aufschreien sowie eine
vorgewölbte oder harte Fontanelle auftreten. Die Nackensteifigkeit kann fehlen.
Bei einer isolierten Meningokokken-Meningitis liegt die Letalität in Deutschland bei ca. 1%,
bei einer Sepsis bei ca. 13% und bei Sepsis mit Waterhouse-Friderichsen-Syndrom bei ca.
33%. Zudem führt die Erkrankung bei ca. 10 bis 20% aller Betroffenen zu Komplikationen.
Dabei kann es nach einer Meningitis zu Hirnnervenlähmungen, Hemiplegie, Krampfanfällen,
Hydrozephalus, Einschränkungen des Intellekts, Lernschwierigkeiten sowie Schädigungen
des Innenohrs mit resultierender Taubheit kommen. Komplikationen nach septischen
Verlaufsformen reichen von begrenzten Nekrosen bis zu ausgedehnter Gangrän der Akren
und Gliedmaßen, die eine Amputation des befallenen Körperteils erforderlich machen
können, mit nachfolgenden schweren Behinderungen.